Beikosteinführung ohne Brei? Was bedeutet breifrei (BLW)?
Babygeleitete Beikost – wie kann sie funktionieren
Baby-led Weaning (BLW) ist inzwischen in aller Munde. Doch was ist das, was spricht dafür und was gibt es zu beachten? Das Konzept BLW stützt sich auf folgende Grundpfeiler, die vor allem die Grundhaltung dem Kind gegenüber spiegeln:
- Weiter stillen nach Bedarf
Bei BLW werden die Milchmahlzeiten nicht durch Beikost ersetzt, sondern ergänzt. Dein Baby bekommt weiterhin seine gewohnte Milch (Muttermilch, Prenahrung) nach Bedarf. BLW ist daher keine Methode, um schnell abzustillen.
- Dein Baby isst selbstbestimmt
Es bestimmt selbst, was und wie viel es von den angebotenen Lebensmitteln isst. Es wird nicht gefüttert, sondern nimmt sich das Essen selbständig.
- Dein Baby isst von Beginn an am (leicht angepassten) Familientisch mit
Anders als bei der Beikosteinführung mit Brei isst dein Baby bei BLW von Beginn an das (leicht angepasste) Familienessen. So lernt es von Beginn an eine große Vielfalt an Konsistenzen und Geschmäckern kennen.
Die Vorteile von BLW
- Das natürliche Sättigungsgefühl bleibt erhalten
Durch das selbstbestimmte Essen behält dein Baby sein angeborenes Sättigungsgefühl. Es bestimmt selbst, wie viel es essen möchte und wann es satt ist. Es wird nicht zum Aufessen animiert.
- Das Kauen wird von Beginn an geübt
Dein Baby lernt von Anfang an, dass es die Nahrung erst zerkleinern und dann herunterschlucken muss. Dadurch behält es die Nahrung auch länger im Mund, was wiederum der Verdauung zugutekommt.
- Es ist kein „Umlernen“ auf feste Kost nötig
Bei BLW wird der Zwischenschritt des Breis einfach übersprungen. Denn Brei ist für gesunde und beikostreife Babys nicht zwingend notwendig.
- Das Gemeinschaftsgefühl wird gestärkt
Alle essen gemeinsam das Gleiche und dein Baby kann sich aktiv an den Mahlzeiten beteiligen.
- Selber essen macht Spaß
Babys haben Freude daran, aktiv an den Mahlzeiten teilhaben zu dürfen und selber zu bestimmen, was, wie schnell und wie viel sie essen möchten. Babys lieben es selbstwirksam zu sein.
- Es lernt durch Nachahmung
Dadurch, dass dein Baby von Beginn an den gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen darf, bekommt es eine Vielzahl an Gelegenheiten, den Rest der Familie genau zu beobachten und deren Verhalten nachzuahmen. So lernt es beinahe automatisch den Umgang mit Besteck, Tischmanieren und wie verschiedenes Essen auf verschiedene Art und Weise gegessen wird.
- Es lernt sicher mit den Lebensmitteln umzugehen
Darf dein Baby bestimmen, was es in den Mund nimmt, hat es davor die Möglichkeit die Nahrung ganz genau zu erforschen. Hinzu kommt, dass es schon früh die Möglichkeit hat, das Kauen zu üben und die Nahrung im Mund hin und her zu bewegen, was wiederum einen wichtigen Beitrag zum sicheren Essen leistet.
- Dein Baby kann die Welt erforschen
Dein Baby möchte seine Welt erforschen. Es möchte experimentieren. Beim Essen hat es vielfältige Möglichkeiten, sich seine Umwelt zu erschließen. So lernt es etwas über die Schwerkraft, wenn es Lebensmittel fallen lässt, es lernt verschiedene Konsistenzen, Formen, Größen, aber auch verschiedene Strukturen kennen. Beim Essen werden all seine Sinne angesprochen. Es begreift seine Welt.
- Selber essen, schult die motorischen Fähigkeiten
So werden bei jeder Mahlzeit die Augen - Hand Koordination geschult und die Geschicklichkeit, mit verschiedenen Lebensmitteln umzugehen. So lernt es, wie es ein weiches Lebensmittel halten muss, ohne es zu zerquetschen oder wie es am besten mit einem flutschigen Lebensmittel umgeht.
- Selber Essen kann stressfreier sein und Geld sparen
So kann dein Baby mit Erfüllen der Beikostreife an einem leicht angepassten Familientisch mitessen und es muss nicht extra gekocht werden. Das spart Zeit, Nerven und auch Geld.
- Selber essen stärkt das Selbstvertrauen
Ganz abgesehen davon, dass dein Baby wahnsinnig viel lernt, wenn es Dinge selber machen darf, stärkt es zudem das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es begreift, dass es etwas bewirken kann. Es lernt, dass man ihm vertraut.
Grundwissen über die motorische Entwicklung des Kindes, um Größe und Konsistenz der Lebensmittel anzupassen:
In aller Regel verläuft die motorische Entwicklung folgendermaßen ab:
- Zu Beginn greift dein Baby mit der ganzen Hand nach dem Essen, dem sogenannten Palmargriff. Es kann seine Faust noch nicht bewusst öffnen, um an das Essen heranzukommen. Daher erkundet es alles, was aus der Faust herausragt. Nach und nach wird es ihm immer leichter fallen, sich das Essen präziser in den Mund zu stecken.
Für diese erste Zeit eignen sich daher große etwa zwei fingerbreite Stücke an Essen, die aus der Faust deines Babys herausragen (am besten Streifen von weichem Obst und Gemüse, zartem Fleisch, Omelette, Brot...). Mit wachsenden Fähigkeiten können auch weiche Lebensmittel in "Klumpen" oder weiches und glitschiges angeboten werden (Reisbällchen, Linsenbratlinge, Nudeln mit Sauce)
- Ab etwa 7 - 9 Monaten kann dein Baby seine Faust öffnen und schließen. Das Abbeißen fällt ihm nun leichter und es kann auch glitschige und weiche Lebensmittel immer besser festhalten. Auch wird ihm das Kauen immer leichter fallen.
In diesem Alter sind weiterhin fingerförmig geschnittene Lebensmittel, sowie weiche Speisen am einfachsten für dein Baby. Du kannst deinem Baby nun auch kleinere, weiche Lebensmittel sowie flüssigere Speisen, in die es etwas dippen kann, anbieten.
- Mit ca 8 - 10 Monaten beginnt dein Baby langsam nicht mehr mit der ganzen Hand nach dem Essen zu greifen, sondern benutzt seine Finger dazu. Auch wird es ihm immer leichter fallen beide Hände zu koordinieren und auch mit flüssigeren Speisen umzugehen.
Alle bereits genannten Lebensmittel sind weiterhin geeignet. Hinzu können jetzt noch kleine Dinge, wie Reis angeboten werden. Auch kann jetzt ein guter Zeitpunkt sein, deinem Baby die Möglichkeit zu geben erste Versuche mit dem Besteck zu machen. Vielleicht mag es einen Löffel ins Essen eintauchen oder mit der Gabel etwas aufpieksen.
- Mit etwa 9 - 10 Monaten wird dein Baby den Pinzettengriff schon gut beherrschen und kleine Dinge zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen. Vielleicht beginnt dein Baby jetzt bewusster zu essen und experimentiert nicht mehr so viel.
In diesem Alter eignet sich eine Vielfalt an gesunden Lebensmitteln in verschiedenen Formen und Konsistenzen.
- Ab etwa 11 - 14 Monaten wird dein Baby vermutlich immer mehr Interesse am Umgang mit Besteck haben. Seine Hände wird es aber vermutlich noch eine ganze Weile zum Essen benutzen.
Biete ihm eine bunte Vielfalt an Lebensmitteln an, die sich in Form, Konsistenz und Geschmack unterscheiden.
Die eigene Ernährung:
Dein Baby wird essen, was du isst. Wenn nicht mit Beikostbeginn, dann etwas später. Überprüfe also, ob eure Ernährung so gesund und vielfältig ist, dass euer Baby mitessen kann. Ernährst du dich also hauptsächlich von Fertiggerichten, wäre der erste Schritt, deine Ernährungsgewohnheiten zu verändern. So kann dein Baby von Anfang an, gemeinsam mit euch, an einem etwas angepassten Familientisch, mitessen.
Das ausgewogene Angebot:
Nur gedünstetes Obst und Gemüse reicht nicht aus, um den steigenden Nährstoffbedarf zu decken. Biete deinem Baby also zusätzlich zum Obst und Gemüse auch eisenreiche (Fleisch, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide...) und energiedichte Lebensmittel (Fette, Kohlenhydrate...) an und stille oder gib die Flasche weiterhin nach Bedarf.
Folgende Punkte gibt es bei der Beikosteinführung mit BLW zu beachten:
Die Sicherheitsregeln:
- Dein Baby sollte alle Beikostreifezeichen erfüllen.
- Dein Baby sollte während des Essens immer aufrecht und nie nach hinten gelehnt bzw. halb liegend sitzen.
- Dein Baby sollte während des Essens immer von einem Erwachsenen beaufsichtigt werden und nie alleine sein.
- Dein Baby sollte selbstbestimmt und in seinem Tempo essen. Stecke ihm niemals ganze Essensstücke in den Mund.
- Biete nur Lebensmittel an, die weich genug sind, um mit der Zunge am Gaumen zerdrückt zu werden, oder groß und faserig genug sind, dass wenn man daran saugt oder darauf kaut, keine kleinen Stücke abbrechen können.
- Achte darauf, nur geeignete und hygienisch zubereitete Lebensmittel anzubieten.
- Achte auf eine ruhige und entspannte Atmosphäre beim Essen und vermeide es, dein Baby abzulenken.
Die ungeeigneten und verbotenen Lebensmittel:
- Hartes Obst und Gemüse wie Apfel, Karotte und Kohlrabi (nur gedünstet, gebraten, gebacken oder fein geraspelt anbieten)
- prallelastische Lebensmittel wie Trauben, Heidelbeeren, Kirschtomaten... (halbiert oder geviertelt anbieten, kann erst mit Erlernen des Pinzetten Griffs gegessen werden)
- Salate
- Nüsse jeglicher Art (als Nussmuß oder gemahlen völlig in Ordnung)
- Milch als Getränk (allgemein gilt im ersten Lebensjahr, nicht mehr als 200ml Milchprodukte am Tag.)
- Salz (nicht mehr als 1g pro Tag)
- Zucker, Honig, Dicksäfte, Zuckeraustauschstoffe
- Lebensmittel die Schmelzsalze, Aromen, Geschmacksverstärker, Phosphate und Zusatzstoffe enthalten
- Alkohol und koffeinhaltige Getränke
- Rohe Eier, roher Fisch, rohes Fleisch
- Rohmilchprodukte
Wie starte ich am besten mit BLW?
Eine Frage, die sich viele Familien stellen. Das Problem ist, dass es keine pauschale Antwort auf diese Frage gibt. Jede Familie i(s)st anders und dementsprechend darf auch der Start individuell aussehen. An folgenden Punkten kannst du dich jedoch orientieren.
- Lass dein Baby an euren Mahlzeiten teilnehmen.
- Dein Baby sollte nicht hungrig sein, stille es also gerne noch vor dem Essen noch einmal. Zu Beginn geht es hauptsächlich darum die Lebensmittel zu erkunden. Dein Baby weiß noch nicht, dass diese satt machen und mit leerem Magen ist es schwierig sich auf Neues einzulassen.
- Gib weiterhin Milch nach Bedarf.
- Biete deinem Baby nährstoffreiche Lebensmittel an, die es leicht greifen kann.
- Esse, wenn möglich gemeinsam mit deinem Baby. Kinder lernen durch Nachahmung.
- Stell dich auf eine Sauerei ein.
- Erwarte nicht zu viel.
Erste Lebensmittel können sein:
- Weiches Obst und Gemüse (Brokkoli, Avocado, Banane,...)
- Zartes Fleisch, Hackfleisch
- Vollkorngetreide in Form von Waffeln, Brot, Pancakes, Nudeln
- Omelette
- Hülsenfrüchte (Hummus, Linsenbratlinge...)
Am besten ihr schaut, was ihr für euch kocht und wählt aus diesen Gerichten die Dinge heraus, die euer Baby essen kann. Orientiere dich dabei am besten immer an den ungeeigneten Lebensmitteln sowie der motorischen Entwicklung deines Kindes.
Essen lernen braucht Zeit, Geduld, viele Möglichkeiten und feinfühlige Bezugspersonen:
Die meisten Babys essen in der ersten Zeit nur kleine Mengen. Das ist okay. Es muss sich an die neue Art der Nahrungsaufnahme erst einmal gewöhnen, es muss üben, wie es mit den Lebensmitteln umgehen kann und die vielen Reize erst einmal verarbeiten. Nach und nach wird es immer kompetenter werden und auch mehr zu sich nehmen. Hab also Vertrauen in dein Baby und seine Fähigkeiten. Alles was du tun kannst, ist dein Baby zu begleiten und die Umgebung so zu gestalten, dass dein Kind die Möglichkeit hat in einem sicheren Rahmen seine Fähigkeiten zu erweitern. Wie du siehst, muss es nicht der „klassische“ Weg der Beikost sein. BLW bringt viele Vorteile mit sich und kann daher eine tolle Alternative darstellen. Zum Schluss gilt aber wie immer: Es gibt nicht den einen Weg, der zu allen Familien gleichermaßen passt. Ihr entscheidet welcher Weg sich richtig anfühlt und sich mit eurem Alltag und euren Werten und Vorstellungen vereinbaren lässt.
©einbauchgefuehl - Noemi Gügel