Selbstregulation beim Kind, wie geht das?

Warum können Kleinkinder sich noch nicht selbst regulieren? Selbstregulation ist die Fähigkeit, die eigenen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen zu kontrollieren und angemessen auf verschiedene Situationen zu reagieren. Bei (Klein-) Kindern ist die Selbstkontrolle unzureichend entwickelt, da ihr Gehirn noch im Entwicklungsprozess ist. Demnach ist es sehr herausfordernd für sie, sich bei großen Gefühlen wie Wut, Frustration und Enttäuschung angemessen zu verhalten. Das müssen sie erst Stück für Stück lernen, um die Erwartungen ihres Umfeldes erfüllen zu können. Dafür brauchen sie Unterstützung von ihren Eltern bzw. ihren Bezugspersonen. Ihnen muss also erst beigebracht werden, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten sollen. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass sie ihre Emotionen zunächst verstehen und regulieren (regulieren, nicht unterdrücken!) lernen, um das passende Verhalten abzuleiten.

Können Eltern auch ZU VIEL unterstützen?

Nach neuesten Studien, ja! Denn es geht um die Art der Unterstützung und die Aktivität des Kindes. Es wird häufig beobachtet, dass viele Eltern den Drang haben, ihre Kinder zu unterbrechen, um Anweisungen oder Vorschläge zu geben, sie zu korrigieren, ihr Verhalten zu kommentieren oder ihnen etwas abzunehmen, obwohl ihr Kind sich gerade in einem wichtigen Lernprozess befindet und in einer Aktivität vertieft ist. Passiert das immer häufiger, kann es dazu führen, dass sich das Kind weniger selbstbewusst fühlt und ein vermindertes Vertrauen in sich selbst entwickelt. Es geht also vielmehr darum, eine Balance zu finden zwischen Anleitung geben und Freiraum gewähren. Lerneffekte durch Eltern sind zwar enorm wichtig in der Erziehung, genauso jedoch auch das Kind, sich selbstständig entfalten zu lassen. 

Für Kinder ist es unglaublich wichtig, dass sie genügend Möglichkeiten bekommen, selbstständig Erfahrungen zu sammeln, ohne ständig Anweisungen von außen befolgen zu müssen! Ein konzentriertes oder in einer Aktivität versunkenes Kind sollten Eltern möglichst in Ruhe lassen. Dabei können Eltern sich entweder eine Pause gönnen, einer anderen Aktivität nachgehen oder ihre Kinder aufmerksam beobachten, aktiv zuhören und anerkennen, wie sie die Welt erkunden. Das sind die Momente, in denen Kinder ein Gefühl für Selbstregulation und Autonomie entwickeln können. 

Selbstregulation fördern

Forschungen zeigen, dass angemessenes elterliches Engagement eine große Rolle bei der Selbstregulationsfähigkeit ihrer Kinder spielt. Dabei geht es mehr darum, dem Kind Möglichkeiten zur Selbstständigkeit und zum Ausbau von eigenen Fähigkeiten zu erschaffen. Hier sind allgemeine Strategien, wie Eltern bei diesem wichtigen Entwicklungsschritt unterstützen können:

  • Förderung der Selbstständigkeit durch eine strukturierte Ja-Umgebung
  • ein konzentriertes oder im Spiel versunkenes Kind in Ruhe lassen
  • Kinder durch klare Grenzen ermutigen sich selbst kontrollieren zu lernen
  • Wertschätzung durch die stabile positive Aufmerksamkeit der Eltern
  • Autonomieerleben fördern durch Entscheidungsmöglichkeiten 
  • regelmäßige gemeinsame und individuelle Zeit zum Spielen
  • offen über Gefühle sprechen und alternative Strategien aufzeigen
  • gemeinsam Lösungsversuche erarbeiten

Die Gefühlswelt ist ein bedeutsamer Bestandteil der Selbstregulation. In der heutigen Zeit wird der Fokus immer mehr darauf gerichtet, wie wichtig es ist, dass Kindern aktiv beigebracht wird, ihre Emotionen verstehen zu lernen. Dazu gehört, diese zu benennen und Strategien zu finden, wie mit ihnen angemessen umgegangen werden kann oder auch wie diese angemessen ausgedrückt werden können. Im Artikel „Es ist okay zu weinen...“ gibt es tolle alternative Sätze, die Eltern zu ihren Kindern sagen können.

Selbstkontrolle zu erlernen ist ein riesiger Meilenstein in der kindlichen Entwicklung und braucht Zeit! Druck, Liebesentzug und Misstrauen schwächt die Entwicklung von Selbstregulation, während feinfühlige, angemessene und warme elterliche Reaktionen Kinder dazu motivieren, mit ihren Eltern zusammenarbeiten zu wollen, statt dagegen. 


Quellen:
Lohaus, A., & Glüer, M. (2019). Selbstregulation bei Kindern im Rahmen der Entwicklungs-und Erziehungspsychologie. In Handbuch Entwicklungs-und Erziehungspsychologie (pp. 101-116). Springer, Berlin, Heidelberg.
 
Obradović, J., Sulik, M. J., & Shaffer, A. (2021). Learning to let go: Parental over-engagement predicts poorer self-regulation in kindergartners. Journal of Family Psychology.