Mit (Klein)Kindern gewaltfrei reden, so funktioniert es!

„Wir betrachten unsere Art zu sprechen vielleicht nicht als gewalttätig, dennoch führen unsere Worte oft zu Verletzung und Leid – bei uns selbst oder bei anderen.“
 

Manchmal sagen wir Dinge, die vom Gegenüber verletzend wahrgenommen werden, obwohl wir es selbst überhaupt nicht so eingeschätzt hätten. Oft erwarten wir auch von unseren Kindern, dass sie nicht mit Wut oder Traurigkeit reagieren sollen, weil wir es doch überhaupt nicht verletzend gemeint haben.

Eltern kommen mit ihren Kindern ständig in Konflikte. In der Psychologie gehen wir davon aus, dass oft gut gemeinte Impulse von Eltern durch einen misslungenen Ausdruck nicht zum eigentlich gewünschten Ziel führen. Bei der gewaltfreien Kommunikation geht es um klare Kommunikation. Im Mittelpunkt stehen der Ausdruck von Gefühlen und die Kopplung dieser mit dahinter liegenden Bedürfnissen.

Der Wolf und die Giraffe
Welchen Kommunikationsstil wählst du im Alltag? Der Wolf bewertet andere, sieht die eigene Lösung als einzig richtige und setzt andere unter Druck, um die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Er kritisiert gerne, droht oder sucht in anderen die Schuld. Diese Form löst bei Kindern und Erwachsenen ganz klassisch die Abwehrhaltung aus. Warum? Es ist völlig natürlich, mit so einer Kommunikationsform nicht in Verbindung gehen zu wollen.
Dann gibt es noch die Giraffe, die mit ihrem langen Hals die Situation auch aus der Vogelperspektive von oben betrachten kann. Sie beobachtet erst, bewertet nicht und versucht, die Gefühle und Bedürfnisse beider Parteien im Blick zu haben. Statt harten Forderungen hat die Giraffe Wünsche und Bitten. Sie konzentriert sich mehr darauf, was die Person machen soll, als was sie nicht tun soll. 

Die 4 Schritte der gewaltfreien Kommunikation

Es ist so wichtig, über Gefühle und Bedürfnisse nachzudenken. Denn letztendlich sind sie unsere Kraft, die uns zu einem bestimmten Verhalten bewegt. Bei der gewaltfreien Kommunikation soll als erstes die Beobachtung verbalisiert werden, das damit verbundene Gefühl sowie Bedürfnis und dann die darauffolgende Bitte. Es geht also darum, offen reden zu können, ohne beim Gegenüber direkt Abwehr oder Feindseligkeit auszulösen. Das kann im Detail so aussehen (weiter unten gibts dann noch praktische Beispielsätze): 

  1. Beobachtungen: Was ist gerade eigentlich geschehen?
    Sie sollten frei von Bewertung, Verurteilung, Generalisierung und Interpretationen sein.
     
  2. Gefühle wahrnehmen und benennen: Was hat es in dir ausgelöst?
    Sich die eigenen Gefühle bewusst zu machen, ist eine hilfreiche Möglichkeit, ihnen eine Daseinsberechtigung und Anerkennung zu geben. Ein sehr schönes Vorbild für Kinder übrigens! Beispielsweise lernen Kinder dann, mit ihrer Wut angemessen umzugehen, wenn sie diese zunächst haben dürfen, um die Gefühle und Bedürfnisse dahinter verstehen zu lernen. Sie kann auch erst wirklich nachlassen, wenn diese Zusammenhänge erkannt werden.
     
  3. Bedürfnisse wahrnehmen und benennen: Was steckt dahinter?
    Hinter Gefühlen verbergen sich immer tiefliegende Bedürfnisse, die oft nicht direkt bewusst wahrgenommen werden. Alles was Menschen tun, egal ob Kinder oder Erwachsene, sind Versuche, Bedürfnisse zu erfüllen. Bedürfnisse und Wünsche sind leicht zu verwechseln, sollten aber versucht werden zu trennen.
     
  4. Auf Basis der Bedürfnisse klare und erfüllbare Bitten äußern.
    Die Bitte sollte natürlich so gestaltet sein, dass es realistisch ist, dass die andere Person das umsetzen kann. Sie sollte weniger einen Forderungscharakter haben, sondern mehr mit einer konkreten Handlung verknüpft und positiv formuliert sein.

Aber wie kann der Dialog mit Kleinkindern aussehen, wenn sie kognitiv noch gar nicht in der Lage sind, alles nach den 4 Schritten aufzugreifen? Hier macht es Sinn, nur einige Bausteine der gewaltfreien Kommunikation zu verwenden und einige Schritte auch für dein Kind zu übernehmen. Hier ein praktisches Beispiel, wenn wir nicht wie der Wolf Gehorsamkeit einfordern, sondern wie die Giraffe über die Beziehung Kooperation ermutigen möchten:

Typischer Alltag:
Nehmen wir als Ausgangssituation, dass dein Kind zum Essen kommen soll, es aber noch weiterspielen möchte. 

  1. Beobachtung: Nimm dir eine Sekunde, was siehst du gerade? Setze dich zu deinem Kind und sprich gerne laut aus:
    „Ich sehe, dass du gerade spielst. Das sieht nach wirklich viel Spaß aus!”
  2. Gefühle: Nimm dir eine Sekunde, was passiert gerade bei euch?
    Wahrscheinlich fühlst du dich unter Druck gesetzt, weil du gerne möchtest, dass alle gemeinsam essen. Dein Kind ist gerade mitten im Spiel und fühlt sich ungerecht behandelt, warum soll es plötzlich jetzt aufhören? Das kann beides frustrierend sein. Benenne es gerne: „Du möchtest lieber weiter spielen als zum Essen zu kommen."
  3. Bedürfnisse wahrnehmen: Nimm dir eine Sekunde, was steckt hinter dem Gefühl bei euch beiden? Dein Kind möchte wahrscheinlich gerne weiterspielen und nicht so abrupt für das Essen unterbrechen! Versuche zu erspüren, was für ein Bedürfnis du gerade hast. Du könntest zu deinem Kind sagen:
    „Ich habe dich gerade zum Essen gerufen, weil ich fertig gekocht habe und wir uns jetzt gemeinsam an den Tisch setzen wollen. Ich habe dich gerne mit dabei.“
  4. Formuliere eine Bitte: Kindern hilft es mehr, wenn wir ihnen sagen, was wir von ihnen möchten, als wenn wir sagen, was sie nicht tun sollen. Es fällt ihnen schwer, plötzlich unterbrochen zu werden, deshalb kann es helfen, einen Puffer einzuplanen:
    „Lass uns noch 3 Minuten zusammen zu Ende spielen und dann gemeinsam am Tisch essen. Es ist immer schön, wenn du auch dabei bist. Möchtest du dann nach dem Essen mit dem Ball oder Figuren weiter spielen?

Hier hört dein Kind nicht mehr nur noch die Aufforderung, das geliebte Spielen zu unterbrechen, sondern auch die emotionale Beziehung dahinter. Über das Spielen wird auch eine Beziehung hergestellt. Diese ist für Kooperation unheimlich wichtig! Auch die Option, dass das Spielen nach dem Essen weitergeführt werden kann, ist eine wunderbare Perspektive, die ein Kleinkind ohne die erwachsene Person noch gar nicht sehen kann. 

Funktioniert die gewaltfreie Kommunikation immer?
Natürlich nicht immer, sie ist aber eine wertschätzende Art dem Kind gegenüber und auch deinem Bedürfnis. Manchmal bedeutet diese Haltung auch viel Ausdauer und Geduld, kann aber gleichzeitig auch eine Chance für ein wertschätzendes Miteinander sein! Die Wahrscheinlichkeit steigt außerdem enorm friedlich den Konflikt trotz zwei unterschiedlichen Bedürfnissen zu bewältigen. Am Ende des Tages wollen Kinder nämlich nur eins: für das, was sie sind, anerkannt, gesehen und wertgeschätzt werden. Eltern wünschen sich im Idealfall natürlich maximale Kooperation, das raubt den Kindern aber auch viel Energie. Natürlich ist dafür nicht immer die Zeit. Auch gibt es Situationen, wo Eltern ganz klare Grenzen setzen und Verantwortung übernehmen müssen. Das braucht dann klare Handlungsaufforderungen, was wiederum auch okay ist, aber wenn es die Situation erlaubt, sind diese extra Minuten und 4 Schritte unglaublich wertvoll für euch beide! Sie können auch im Kopf durchgegangen werden, denn sie helfen, Ruhe und Verständnis in die Situation zu bringen. Probiert es mal aus!

Eltern, die bewusst Sprache einsetzen und intelligent nutzen, erzielen deutlich angenehmere und harmonische Ergebnisse mit ihrem Kind (auch bei Erwachsenen stellt sich mit dieser Methode ein deutlich entspannteres Zusammenleben dar!). Die gewaltfreie Kommunikation ist eine Haltung, die dazu verhilft, sich gegenseitig zu respektieren, zuzuhören und die wahren Bedürfnisse zu erkennen. Sie ist nicht da, um Konflikte zu vermeiden, sondern um einen konstruktiven Umgang mit ihnen zu erlernen. Sie ist keine strikte Anleitung, sondern kann eher als Haltung verinnerlicht werden!

Quellen:
Kolodej, C., Ertl, S. (2022). Die Gewaltfreie Kommunikation. In: Mediation mit Stellvertretung und Gewaltfreie Kommunikation. essentials. Springer Gabler, Wiesbaden.
Mandac, I. M. (2013). Lehrer-Eltern-Konflikte systemisch lösen. Carl-Auer-Verlag.
Shen, X. (2022). Effects of Verbal Violence by Parents on Preschool Children’S Interpersonal Relationship Formation. In 2022 3rd International Conference on Mental Health, Education and Human Development (MHEHD 2022), 1348-1353.