Wie funktioniert Lob?
Forschungen zeigen, dass es nicht darauf ankommt, wie viel Eltern ihre Kinder loben, sondern wie. Wir kennen es wahrscheinlich alle, wir wollen unseren Kindern einfach sagen, wie toll sie sind und wie toll sie doch alles machen! Dann wird auch mal aus einem „toll gemacht” ein „großartig hast du das gemacht”. Ich ertappe mich auch ab und zu dabei mein Kind mit einem anderen zu vergleichen oder mit Lob nur nahezu um mich herum zu werfen und alles „Suuuuuper” zu finden. Aber ich möchte mir heute mit euch Lob etwas genauer anschauen. Denn übertriebenes Lob kann tatsächlich dem Selbstwertgefühl auch schaden. Stellt euch vor ihr werft einen Ball und trefft auch noch. Dann hört ihr „Wow, das war ja der absolute Wahnsinn!”, wie fühlt ihr euch dann vor dem nächsten Wurf? Fühlt ihr euch wirklich gut oder habt ihr eher Druck bekommen, den nächsten wieder reinzukriegen?
Ich bin mir sicher, einige von euch finden die Behandlung der Thematik übertrieben oder sogar unnötig. Glaubt mir, das empfand ich anfangs genauso, bis ich mich einfach mal darauf eingelassen habe. Also, wenn ihr euch dafür interessiert, das Selbstbewusstsein eures Kindes nachhaltig zu stärken, dann lest euch diesen Artikel gerne durch!
Die Schattenseite des Lobes
Während Lob vielseitig eingesetzt werden kann, um Kinder zu stärken und erwünschtes Verhalten beizubringen, ist Lob gleichzeitig auch immer eine Form von Bewertung. Das Kind hat ja immerhin etwas „gut” gemacht, wenn es gelobt wird. Werden Kinder andauernd bewertet, können sie abhängig von äußeren Einschätzungen werden. Sie neigen dazu, sich ausschließlich darüber zu definieren. Auf Dauer können solche Kinder die extrinsische Motivation bekommen, lediglich Dinge zutun, um zu gefallen und nicht, weil sie von innen (intrinsische Motivation) heraus Lust darauf haben. Eine Studie zeigte, dass Kinder die nach einem Mathespiel belohnt wurden, nach Wegfall der Belohnung nur noch wenig Lust hatten es zu spielen, als Kinder die vorher nicht permanent für das Spielen belohnt wurden. Zahlreiche Studien zeigen auch, dass übertriebenes Lob einen hohen Erwartungsdruck beim Kind erzeugen kann. So neigen Kinder dazu, die übermäßig oder nur für ihre Person gelobt werden dazu, zukünftig nur leichtere Aufgaben angehen zu wollen, aus Angst, eventuell zu versagen.
Darauf kannst du beim Loben achten
Beim aufrichtigen Lob geht es vor allem darum, was Kinder wirklich brauchen von uns Eltern und was sie wirklich verinnerlichen sollten, um ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Forschungen zeigen, dass Eltern mit selbstbewussten Kindern eher dazu neigen ihre Kinder für die Anstrengungen zu loben, als für die Person des Kindes. Personenbezogenes Feedback (= du bist so schlau) richtet sich nämlich mehr auf die Fähigkeit und anstrengungsbezogenes Feedback (= weil du viel Mühe investiert hast, hast du es geschafft) auf den Lernprozess. Personenbezogenes Feedback wirkt auf den Menschen unveränderlich (= ich bin nicht schlau genug, ich schaff das nicht), während anstrengungsbezogenes Feedback immer eine veränderbare Komponente besitzt (= ich habe es nicht geschafft, aber wenn ich es öfter oder anders probiere, könnte es klappen).
So sollte Lob immer aufgebaut werden:
1. realistisches Feedback
Kinder profitieren viel mehr davon, wenn wir ihnen realitätsnahe Erkenntnisse vermitteln. Es hilft ihnen nicht, wenn wir sie andauernd in den Himmel loben und somit ein unrealistisches, überschätztes Selbstwertgefühl kreieren. Wenn wir unsere Kinder auf eine aufrichtige Art loben können, dann kommt mit dem gesunden Selbstwertgefühl automatisch ein ehrliches Selbstbewusstsein!
2. Fokus auf selbstständiges Wachstum
Es ist unglaublich wichtig, dass wir uns beim Lob auf persönliches Wachstum konzentrieren, statt nur auf das Ergebnis oder den Vergleich mit anderen. Kinder wollen sich nicht daran orientieren, besser als andere zu sein. Auch zukünftig frustriert es nur, wenn wir nicht loslassen können, immer das beste Ergebnis von uns zu erwarten. Kinder wollen auf die Mühe, die sie investieren, aufmerksam gemacht werden und den Spaß, der von der Tätigkeit an sich kommt. Ein gesundes Selbstbewusstsein bedeutet vor allem daran interessiert zu sein, sich selbst zu verbessern, anstatt andere zu übertreffen!
3. bedingungslose Wertschätzung
Kinder sollten sich immer von ihren Eltern wertgeschätzt fühlen. Ist die Wertschätzung nur am Ergebnis gekoppelt oder wie das Kind im Gegensatz zu anderen abschneidet, erziehen wir ein Kind, was lernt, den eigene Wert über Ergebnisse zu definieren und sich immer mit anderen zu vergleichen.
Bekommen Kinder früh vermittelt, dass sie nur dann wertvoll sind, wenn sie etwas leisten, versuchen sie ihr ganzes Leben lang das Gefühl „Ich bin nicht wertvoll so wie ich bin, sondern nur wenn ich etwas leiste” zu kompensieren. Das kann zu einer Menge Wut, Scham und auch Aggression führen. Ein gesundes Selbstwertgefühl hingegen gibt deinem Kind die Kraft sich wertvoll zu fühlen, auch wenn es mal scheitert oder einen Misserfolg erlebt. Denn das Selbstbewusstsein ist an dem Gefühl gekoppelt, wie wertvoll wir uns als Mensch fühlen. Wertschätzung heißt nicht, dass du alles von deinem Kind toll finden musst, sondern dass auch wenn das Verhalten korrigiert werden muss, dein Kind immer ein respekt- und liebevollen Umgang verdient hat.
So, diese Informationen musste ich auch erstmal verdauen. Kommen wir nun zum praktischen Teil.
So geht aufrichtiges Loben
Wir müssen unsere Kinder keinesfalls mit Lob überhäufen, damit sie sich wertvoll fühlen. Das kann sogar eher kontraproduktiv sein. Viel wichtiger ist es, dass wir unseren Kindern das Gefühl geben, dass wir sie so akzeptieren, wie sie sind.
- Lob sollte immer eine Rückmeldung enthalten, die der Realität entspricht.
Statt: Das ist das schönste Bild, was ich jemals gesehen habe! (übertriebenes Lob)
Probiere Mal: Mir gefallen die vielen unterschiedlichen Farben, die du für dein Bild benutzt hast. (realistisches Lob)
- Erfolge anerkennen, aber den Fokus auf die Strategien legen, die dein Kind verwendet hat oder die Mühe, die dein Kind aufgebracht hat.
Statt: Du bist die Schlauste! (Fähigkeitslob)
Probiere mal: Du hast es solange probiert, bis es geklappt hat. Da hast du dir gerade wirklich viel Mühe gegeben! (Anstrengungslob)
- Vergleiche dein Kind beim Loben nicht mit anderen.
Statt: Das hast du viel besser als die anderen gemacht! (Vergleichslob)
Probiere mal: Jetzt hast du herausgefunden, wie es funktioniert! (Anstrengungslob)
- Beschreibe, was du siehst und welche Wirkung es hat.
Statt: Das hast du suuuuuper gemacht! (Fähigkeitslob)
Probiere mal: Ich sehe, dass du die Autos weggeräumt hast und alle Bücher sind wieder an ihren Plätzen. Der Boden sieht richtig sauber aus. Das ist eine wirklich große Hilfe für mich!
Denkt immer daran: Was Kinder wirklich brauchen, ist ehrliches Interesse an dem, was sie tun und wie sie es tun. Dazu gehört auch offen zu sagen, wenn wir uns über etwas, dass das Kind kann oder macht, wirklich freuen. Lob sollte immer beschreibend, ehrlich und aufrichtig sein! Und falls ihr es bisher anders gemacht habt: Keine Sorge, ihr könnt die Art und Weise, wie ihr lobt, immer noch anpassen an euren Alltag. Und es ist auch nicht schlimm, wenn euer standardmäßiges „Suuuuper gemacht” hin und wieder mal rausrutscht. Ich sage es auch ziemlich oft in meinem Alltag. Es geht auch hierbei wieder um das Gesamtbild. Wird in der Regel beschreibend gelobt, kann auch das ein oder andere „Super” und „Toll” sein. Ich hoffe ich konnte mit diesem Artikel ein Bewusstsein für diese Thematik schaffen, die mir zunehmend wichtiger geworden ist!
Und zu guter Letzt, es geht nicht darum, irgendetwas zu 100% starr umsetzen zu können, das ist unmöglich und auch nicht nötig. Ich finde diese Tipps nur sehr hilfreich und freue mich, wenn ich den einen oder anderen dazu inspirieren kann.
Quellen:
Brummelman, E., & Sedikides, C. (2020). Raising children with high self‐esteem (but not narcissism). Child development perspectives, 14(2), 83-89.
Pohl, G. (2020). Die Würde des Kindes ist antastbar: Plädoyer für eine Kindheit ohne Beschämung. Springer-Verlag.